Ein ausführlicheres Resümee der Veranstaltung am 16.01.2016 befindet sich unten.
Feedback von den Teilnehmenden:
„Der Tag war von Fragen bestimmt. Fragen nach Ursachen und Handlungsmöglichkeiten. Fragen, die das Thema erst mal bewusster machen – die zusammenführen. Den Gedanken an Konkurrenz außen vor lassen. Es wurde viel diskutiert, besprochen, beraten und analysiert. Das Symposuim war inspirierend und informativ. Danke an die Macher und BITTE MEHR DAVON!!!“
Kerstin Iskra, Frauenbeauftragte der Fakultät Darstellende Kunst und stellv. Studiengangsleiterin Musical – Show
„Die Auswahl der Referentinnen mit ihren divergierenden Theatersprachen und den damit verbundenen unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit Performance von Weiblichkeit habe ich als für mich und meinen Beruf als sehr bereichernd empfunden. Auf vielerlei Ebenen taten sich Fragen und Ansätze auf, die sonst im Theateralltag keinen Platz finden, äußert anregende Diskussionen zwischen Referentinnen und Publikum kamen zustande und durch die vorbildliche Organisation der Veranstalterinnen gab es genügend Raum für gemeinsame Reflektion zwischendrin.Wie ich mitbekommen habe, wurden an diesem Tag viele Kontakte ausgetauscht und Netzte geknüpft. Solche Symposien, die im Rahmen von Ausbildungsstätten stattfinden und Auszubildende sowie Menschen aus der Berufspraxis zusammenbringen und zudem intensive Auseinandersetzungen mit konkreten Themen möglich machen, sind als Bereicherung für die Theaterpraxis nicht zu unterschätzen !“
Nicole Timm, Bühnen- und Kostümbildnerin /Szenografin, Gastprofessorin an der UdK im Studiengang Bühnenbild
„Ich mache mir seit dieser Veranstaltung innerhalb meiner Arbeit viel mehr Gedanken: Wie gehe ich mit Klischees zum Thema Frau und Frauenbildern in der Kunst um? Welches Bild kreiere bzw. bediene ich beim Spielen? Meine Aufmerksamkeit zum Thema ‚male gaze‘ hat sich auch verändert. Den Bechtel-Test, den man bei Filmen dazu anwendet, übertrage ich auch aufs Theater. Insbesondere Vanessa Sterns Vortrag hat mich nachhaltig beeindruckt und ins Grübeln gebracht: Möchte und kann ich in solchen Strukturen am Stadttheater später arbeiten? Neslihan Arol hat einen tollen, informativen Auftakt hinbekommen.Ich komme gern wieder und würde ich freuen, wenn Ihr weiter macht.“
Mariann Yar, Schauspielstudierende, 2. Semester
RESÜMEE DER VERANSTALTUNG am 16.1.2016:
Dass es tatsächlich ein Bedürfnis gab, die immer noch zu selten zur Sprache gebrachten Befunde struktureller, als solcher aber kaum benannter Ungleichbehandlung (beispielsweise von Schauspielerinnen und Schauspielern) zu diskutieren, die neben realen Gehaltsunterschiedenen oder bereits unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten zur professionellen Ausbildung v. a. auch in enger gesteckten Spielräumen und Ausdrucksformen für Frauen auf der Bühne zu beschreiben sind, zeigte das rege Interesse an der durchweg gut besuchten ganztägigen, samstäglichen Veranstaltung mit etwa 70 bis 80 Teilnehmer*innen.
Jeweils im Anschluss an die insgesamt vier Vorträge, Gespräche und Lectures, aber auch in den für den informellen Austausch gedachten Pausen wurden oftmals dringliche Fragen gestellt, teils persönliche Erfahrungen geteilt, institutionelle Kritik artikuliert und gemeinsam über notwendige und mögliche Veränderungen nachgedacht. Der Fokus lag jedoch auf einer ersten Orientierung im Themenfeld ‚Gender, Theater und Kritik’, das in zukünftigen Veranstaltungen vertieft werden könnte. Die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen zeigten, dass an einer solchen Fortführung großes Interesse besteht.
Programm und Fragen
Die erste Hälfte des Tages beschäftigte sich kritisch-analytisch mit der aktuellen Lage, den Handlungsspielräumen und Darstellungen von Frauen im Theater(- und Film)bereich. Der grundlegend in die Thematik einführende Eröffnungsvortrag „Still in Trouble? Questioning the Representation of [Femininity] in Theatre in Germany” der Doktorandin und studierten Schauspielerin Neslihan Arol fragte, warum wir oftmals annähmen, dass Frauen im Theater selbstverständlich andere, weniger vorgezeichnete Rollen zukämen als in den Mainstream-Medien wie Werbung oder TV. Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass sich durchaus eine Reihe das Theater als Ort alternativer Darstellungs- und Performancepraktiken bestätigender Beispiele finden lässt, zeigte Neslihan Arol anhand von Statistiken und Studien sowie an mehreren Beispielen aktueller deutscher Theaterproduktionen allerdings auf, dass v. a. Schauspielerinnen oft genug immer noch dazu angehalten sind, veraltete Frauenbilder zu reproduzieren und Sexismus nicht nur auf Müllermilch-Packungen zu finden ist. In der anschließenden Diskussion wurde u. a. befragt, warum staatliche Schauspielausbildungen weniger junge Frauen als Männer immatrikulieren und warum diese Praxis – auch von den Theatern, die entsprechend weniger Schauspielerinnen fest im Ensemble engagieren – heute immer noch mit dem Hinweis auf ein vor allem männliche Rollen vorhaltendes Dramenrepertoire gerechtfertigt werden kann.
Im Gespräch mit der Performerin Johanna Freiburg (She She Pop und God Squad) und der Schauspielerin Margarita Breitkreiz, die v. a. in Produktionen von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne spielt, wurde nach verschiedenen Spielräumen im Sinne von Selbstbestimmungsmöglichkeiten, -wünschen und -notwendigkeiten gefragt. Während Johanna Freiburg mit dem (bis auf eine Ausnahme) aus Frauen bestehenden Kollektiv She She Pop Ende der 1990er-Jahre erstmals den als entmachtend empfundenen Blick der (männlichen) Zuschauer auf den weiblichen Körper samt deren Zuschreibungen auf der Bühne thematisierte und bis heute mit den Kolleg*innen die Verantwortung für Themen, Darstellungsweisen und Formen des Grenzenaustestens in ihren Performances ausschließlich selbst übernimmt, berichtete Margarita Breitkreiz vom großen Vertrauen, dass sie in den Regisseur Frank Castorf habe, der Schauspielerinnen zwar gern in High Heels und wenig Kleidung inszeniere, ihnen aber gleichzeitig lange, kraftvolle und komplexe Texte zuteile, die der Vorlage entsprechend von Männern gesprochen werden müssten, sodass sich kein Gefühl der Benachteiligung einstelle. Diskutiert wurde anschließend u. a., ob die durch die Schauspielerinnen in den Castorf-Inszenierungen verkörperten und ausgestellten Schönheitsideale – über deren Definition letztlich jedoch keine Einigkeit herrschte – aber nicht eben doch als Problem erkannt werden müssten.
Der zweite Teil des Tages diskutierte und veranschaulichte in zwei autobiographischen Lecture Demonstrations ‚alternative Performances von Weiblichkeit’ hinsichtlich der eigenen Rollen auf der Bühne und dahinter bzw. des Weges dahin. Die frühere Stadttheaterschauspielerin und Gründerin des Krisenzentrums für weibliche Komik Vanessa Stern, die seit mehreren Jahren ihre eigenen Performances realisiert, beschrieb anschaulich, analytisch scharf und überaus unterhaltsam, wie sie schließlich erkannt habe, ein bestimmtes von erfolgshungrigen Jungschauspielerinnen anzustrebendes Bild weiblicher Zerbrechlichkeit nie im geforderten Maße erfüllen zu können und dass ihre anarchischste und komischste Rolle bis dahin die des Sams in einem Kinderstück gewesen sei; nach Versuchen, die Welt als attac-Aktivistin zu retten, begann sie schließlich, das „Scheitern“ weiblicher Protagonistinnen zum Gegenstand ihrer Humor und Krisen verbindenden Shows mit stets beeindruckend unangepassten Gästen zu machen, und man möchte sagen: der Erfolg gibt ihr Recht.
Auch Lulu Obermayer berichtete unter Einsatz verschiedenster Medien – darunter Videoausschnitte ihrer Performances – vom eigenen Scheitern, das aber in eine starke, Persönliches und Gesellschaftliches verbindende künstlerische Praxis mündete. Derzeit absolviert sie am HZT Berlin den MA „Solo/Dance/Autorship“, studierte bereits in Glasgow, New York, Leipzig und München u. a. Performance, Dramaturgie und Literaturwissenschaft sowie Schauspiel – allein die lang ersehnte Aufnahme ins Schauspielstudienprogramm einer staatlichen deutschen Hochschule blieb ihr verwehrt („I was too big, too loud, too much of everything“). Seit 2010 realisiert sie radikal ehrliche, sie selbst und ihre Umwelt herausfordernde, experimentelle, intellektuelle, lustvolle (Solo-)Arbeiten; zuletzt die Bühnenperformance „FEMALE DRAMA/SOLILOQUI“, die Monologe weiblicher Dramen-Figuren, feministische Theorie, Manifeste, Prosa, Gedichte, Lieder, sonstige Fundstücke und ihren eigenen Tanz miteinander konfrontiert.
Der Tag endete mit abendlichen Gesprächen bei Brot und Wein, die den Teilnehmer*innen die – gern genutzte – Gelegenheit zum weiteren Austausch und zur Reflektion des Tages boten. Das vorher noch geplante gemeinsame Resümee der Veranstaltung wurde spontan zugunsten eines direkten Übergangs in den informelleren Rahmen aufgegeben, allerdings individuell von einzelnen Anwesenden erbeten. Aufgrund des durchweg positiven Feedbacks der Referentinnen und Teilnehmerinnen bewerten die Veranstalterinnen das Symposium als gelungen und planen eine Folgeveranstaltung für den Winter 2016/17.
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